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Abgeänderter und aktualisierter Text nach der Veröffentlichung:
Kuhn, W. (2008): Das Brandungskliff von Eckelsheim. Die Rekonstruktion eines 30 Millionen Jahre alten Küstenstreifens.
Alzeyer Geschichtsblätter, Heft 37, 3-24, 16 Abb., Alzey.

Das Brandungskliff bei Eckelsheim

(derzeit nicht zugänglich)

Einblick

Schwere Brecher laufen auf die Insel zu und donnern mit Wucht gegen die Felsenküste. Im schäumenden Rückstrom werden kurzzeitig große Gesteinsblöcke sichtbar, die vom Sog mitgeschleppt werden, bevor die nächste Wellenfront sie erneut gegen die Felsen schleudert. In flachen Sandbuchten herrscht Chaos. Bis in zwanzig Meter Wassertiefe fräst sich die Energie der Wellen in den Meeresboden, wirbelt Sand, Seegrasbüschel, Algen und aus dem Meeresboden freigespülte Muscheln und Schnecken durcheinander. Der Sturm treibt die salzige Gischt über die höher gelegenen Bereiche der Insel. Palmen biegen sich bis zum Brechen im von Sturmböen gepeitschten Regen. Nur schemenhaft zeichnet sich das wenige Kilometer entfernte Festland ab.

Szenen wie diese spielen sich immer wieder in Küstenregionen unserer heutigen Erde ab. Aber auch in der Erdgeschichte haben sich in den unterschiedlichen Epochen verheerende Unwetter ereignet. Belege für vergleichbare Phänomene, die sich vor etwa 30 Millionen (Mio.) Jahren abgespielt haben, finden wir in den Gesteinsabfolgen der Region zwischen Alzey und Bad Kreuznach.

Überblick

Das Mainzer Becken war vor etwa 30 Mio. Jahren, im Mittel-Oligozän, einer erdgeschichtlichen Epoche im Zeitalter des Tertiär, von einem subtropisch-warmen Meer überflutet. Über eine mehrere Kilometer breite Meeresstraße zwischen den heutigen Städten Kassel und Frankfurt fand das Meer von der damaligen Nordsee seinen Weg zum Mainzer Becken. Zumindest zeitweise bestand wohl nach Süden hin eine weitere Meeresverbindung über den Oberrheingraben zum damaligen Meer des Alpenvorlandes.

Der Küstenverlauf des westlichen Mainzer Beckens ist vielerorts zwischen Alzey und Bad Kreuznach erhalten geblieben. Ohne Übertreibung kann man diese Gegend als geologisches Freilichtmuseum mit weltweiter Bedeutung bezeichnen, da die heutige Landschaftsform in groben Zügen der früheren Küstenregion entspricht. Im Bereich zwischen Wendelsheim und Frei-Laubersheim war der Westküste des Mainzer Beckens eine Inselgruppe (Archipel) vorgelagert. Bis in unsere heutige Zeit sind die ehemaligen Inseln beispielsweise als Steigerberg, Martinsberg oder Hornberg erhalten geblieben. Durch die fortgeschrittene Gewinnung von Kies und Sand in der Kiesgrube am Steigerberg kam 1997 ein Brandungskliff zutage, welches seit seiner Freilegung im Jahr 1999 ein eindrucksvolles Zeugnis einer Hochenergieküste aus der Erdgeschichte vor rund 30 Mio. Jahren darstellt. In Folge unerwarteter Frostverwitterungen sah man sich 2002 gezwungen, den Kliffkomplex mit einer Frostschutzschicht aus Sand abzudecken und vorläufig sicherzustellen.

Die außergewöhnliche Bedeutung des etwa 30 Mio. Jahre alten Kliffs liegt in seiner Größe und in der Vielfalt seiner Brandungsspuren begründet. Bisher ist weltweit kein vergleichbares Objekt bekannt.

Bild 1 Bild 1: Luftbild des gesamten Kliffkomplexes. ~~CLEARFLOAT~~

Küstengesteine

Die Rekonstruktion der Land-Meer-Verteilung im westlichen Mainzer Becken zur Zeit des Mittel-Oligozän wird durch die heutige Oberflächenbeschaffenheit der Region in Verbindung mit den geologischen Aufschlüssen erleichtert. Morphologisch ist die ehemalige Halbinsel westlich von Alzey, auf der Erbes-Büdesheim liegt, unverkennbar. An der Südostküste der sogenannten Vorholz-Halbinsel lag die Weinheimer Bucht, deren Sandstrände vereinzelt von felsigen Abschnitten unterbrochen waren. Auch an der gegenüberliegenden Nordwestküste der Halbinsel bei Flonheim gab es Sandstrände. Form und Ausbildung von Küsten sind abhängig von den jeweiligen Gesteinen des Festlandes. Etwa 290 Millionen Jahre alte Sedimente aus Sand-, Schluff- und Tonsteinen sowie Vulkanite aus Andesiten und vulkanischen Tuffen des Rotliegend-Zeitalters bildeten die Halbinsel. Andesit ist ein dunkles, basaltähnliches Gestein mit einem relativ geringen Quarzanteil, dessen alter Gesteinsname Melaphyr lautet. Aus diesen Materialien bestehen beispielsweise die Küstensande der Naturdenkmäler Trift, Zeilstück und Neumühle bei Alzey-Weinheim.

In Richtung Eckelsheim ändert sich die Topographie der Region. Hier prägt ein Gesteinstyp ganz besonders die Landschaftsform: Rhyolith. Früher nannte man das magmatische Gestein auch Porphyr oder Quarzporphyr. Rhyolith ist aus einer glutflüssigen Gesteinsschmelze des Erdinnern entstanden. Hauptkomponenten sind die Minerale Feldspat, Quarz und Glimmer. Die chemische Zusammensetzung ist nahezu identisch mit der des Tiefengesteins Granits. Die Gesteinsschmelze bleibt in großer Tiefe im Erdinnern stecken, wobei das Magma lange Zeit glutflüssig bleibt und die Minerale zu großen Kristallen anwachsen können, bevor das Gestein erstarrt. Die oberflächennahe Varietät ist der Rhyolith. Gelangt nämlich eine vergleichbare Gesteinsschmelze nahe an die kühlere Erdoberfläche, oder durchbricht diese sogar als Lava, erstarrt das Gestein so rasch, dass sich nur wenige, mit bloßem Auge sichtbare Minerale aus der gleichmäßig feinen Grundmasse bilden können. Diese Ausbildung nennt man ein porphyrisches Gefüge. Nachdem allerdings nicht nur der „Porphyr“ sondern auch andere magmatische Gesteinstypen ein porphyrisches Gefüge ausbilden können, ist diese Struktur nicht grundsätzlich spezifisch für „Porphyr“. Aus diesem Grund entschied man sich für den Namen „Rhyolith“, was soviel bedeutet wie „Fließstein“.

Im Zeitalter des Rotliegend stiegen rhyolithische Magmen aus den Tiefen des Erdinnern auf, erreichten die Erdoberfläche, aber durchbrachen sie meist nicht. Auf diese Weise entstanden der Donnersberg sowie der Rheingrafenstein und Rotenfels bei Bad Kreuznach. Auch die Hügel der Landschaft um Fürfeld, Frei-Laubersheim, Neu-Bamberg, Wöllstein, Siefersheim, Wonsheim und Eckelsheim bestehen in weiten Teilen aus Rhyolith. Im Gegensatz zum Donnersberg und dem Kreuznacher Rhyolithdom gelang der Rhyolithschmelze in diesem Fall vermutlich bei Frei-Laubersheim der Durchbruch an die Erdoberfläche. Ein zähflüssiger Lavastrom wälzte sich über die damalige Landschaft bis zum Steigerberg, wo er letztendlich erstarrte. Über einen Zeitraum von möglicherweise mehr als 200 Mio. Jahren war der ehemals zusammenhängende Lavastrom einem tropischen Klima ausgesetzt. Entlang von Rissen und Klüften, die sich teilweise bereits während des Abkühlungsprozesses gebildet hatten, begann das Gestein zu verwittern. In Verbindung mit der Erosion wurde zersetzter Gesteinsschutt abgetragen. Im Lauf der Zeit gruben sich Täler bis tief in den Untergrund des ehemals zusammenhängenden Lavastroms. Einzelne, teilweise Quadratkilometer -große Rhyolith-Monolithe wurden somit isoliert. Rhyolith setzt im Allgemeinen der Verwitterung größeren Widerstand entgegen als die Sedimente und Vulkanite der Vorholzhalbinsel. Dies ist der Grund, warum der Gesteinschutt aus Rhyolith in vielen Fällen gröber ist als die Verwitterungsprodukte von Sandsteinen und Andesiten, die rascher in die Sandfraktion zerfallen. Die Rhyolithhügel waren von einem mächtigen Mantel aus Gesteinsschutt verhüllt, als das Meer im Oligozän den Westteil des Mainzer Beckens erreichte und die Täler überflutete.

Kausale Zusammenhänge: Plattentektonik

Die Überflutung des Mainzer Beckens ist die Folge von plattentektonischen Ereignissen. Durch die Kollision von nordafrikanischen Kontinentalteilen mit dem Mitteleuropäischen Kontinent vor etwa 100 Mio. Jahren schoben sich Krustenteile wie gigantische Eisschollen übereinander: Die Entstehung des Alpengebirges begann. Durch die Auflast der Krustenteile während der Überschiebung sanken die Festlandsmassen in den Erdmantel ein. In Verbindung mit dem immer noch anhaltenden Schub entstanden Massenverlagerungen im oberen Erdmantel in Richtung Nordwesten. Im Bereich einer altangelegten Schwächezone der Erdkruste, die sich vom Rhone-Graben bis in den Bereich der heutigen Ostsee erstreckt, entstand zwischen Schwarzwald und Vogesen unter der Erdkruste eine Aufwölbung aus Mantelmaterial. Der Druck bewirkte entlang tief reichender Risse (Störungen) eine Weitung und eine Überdehnung der Gewölbestuktur, bis im frühen Tertiär vor rund 50 Mio. Jahren letztendlich der Zenralbereich einzusinken begann: Der Oberrheingraben brach ein, während sich seine Flanken weiter hoben. Diese Bewegungen halten nach wie vor an. Absenkungs- und der Weitungsbeträge des Grabens sind messbar, auch wenn es sich derzeit nur um Werte im mm-Bereich pro Jahr, bzw. Teile davon handelt. Umgerechnet auf Jahrhunderte, Jahrtausende oder gar Jahrmillionen ergeben sich durchaus eindrucksvolle Zahlen.

Am nördlichen Ende des Oberrheingrabens, der sich zwischen Basel und Bingen erstreckt, entstand ein etwa dreieckiges Areal, das der Absenkung des Grabens folgte: Das Mainzer Becken als Nordwestflanke des Oberrheingrabens wurde in das Geschehen miteinbezogen. In groben Zügen entspricht das Mainzer Becken den Ausmaßen des heutigen Rheinhessens.

Das Meer

Bereits vor etwa 35 Mio. Jahren hatte ein erster kurzzeitiger Meeresvorstoß Teile des Mainzer Beckens von Süden her erreicht. Etwas später ging vor etwa 30 Mio. Jahren mit einer verstärkten Absenkungsphase des Oberrheingrabens und des Mainzer Beckens gleichzeitig ein weltweit nachweisbarer Meeresspiegelanstieg von statten. Das Meer hatte das norddeutsche Tiefland bis zu den Mittelgebirgen überflutet. Auf der Linie Kassel - Frankfurt drang es über die sogenannten Hessische Straße bis in den Oberrheingraben und in das Mainzer Becken vor. Zumindest zeitweise bestand im Süden des Grabens wohl auch eine Verbindung zum Molasse-Meer des Alpenvorlandes und möglicherweise auch zum Rhonegraben.

Im Laufe der Überflutungsphase wurde das Areal zwischen den heutigen Städten Alzey und Bad Kreuznach zur Küstenregion. Mit dem Anstieg des Meeresspiegels und der gleichzeitigen Absenkung des Mainzer Beckens entstanden zwei gegenläufige Bewegungen, welche die Überflutung der Landschaft beschleunigten. Aus den durch die Erosion isolierten Rhyolith-Monolithen entstanden Inseln, die der Festlandsküste vorgelagert waren. Ein neues Element mitsamt seiner Dynamik gab in der Region jetzt den Ton an: Das Meer. Im übertragenen Sinn könnte man die neuen Verhältnisse unter dem Begriff „Thalassokratie“ zusammenfassen. Nicht im historischen Sinne als die Seeherrschaft über dem Meer, sondern im geologischen Sinne als die Herrschaft des Meeres über die Region. Das Meer war nun die formende, wie auch die zerstörerische Kraft, welche vor etwa 30 Mio. Jahren die Landschaft gestaltete. Verwitterungsschutt ist in Verbindung mit anbrandenden Wellen ein geeignetes Schleifmittel, um aus rauen Rhyolithfelsen glatte Skulpturen zu schaffen. Vermutlich über einen Zeitraum von mehreren Zehntausend Jahren hinweg im stetigen Wechsel von Anlaufen und Rückstrom der Wellen. Jede Welle, die gegen die Felsen anläuft, nimmt Gesteinsschutt auf und schleudert ihn gegen die Basis der Felsküste. Bei diesen Vorgängen wird der kantige Gesteinsschutt ebenfalls abgeschliffen und gerundet sowie die Felsküste im Wellenbereich abgerieben. Mit der Zeit entsteht in der Brandungszone eine Hohlkehle (Bild 8), die sich nach und nach so weit einschneidet, bis der Überhang instabil wird und herunterstürzt. Das heruntergebrochene Gestein wird wiederum von den Wellen aufgenommen und über das darunter liegende Felsbett bewegt. Auf diese Weise entsteht eine flache, zu Meer hin geneigte Brandungsplattform (Schorre), an deren landseitigem Ende die Brandung wiederum eine Hohlkehle ausprägt, über der die Felsen wandartig aufragen (Bild 3, Bild 4). Ein Kliff ist entstanden. Diese Abläufe setzen sich immer weiter fort, so dass die Steilküste zunehmend landeinwärts versetzt wird. Steigt der Meeresspiegel an, wird dieser Vorgang beschleunigt - erst recht, wenn das Land zusätzlich absinkt. Vergleichbare Szenarien haben sich vor etwa 30 Millionen Jahren am Steigerberg bei Eckelsheim abgespielt.

Die glattgeschliffene, nahezu polierte Gesteinsoberfläche des Kliffs (Bild 13) in einer Breite von ca. 100 m, stufenartig versetzte Hohlkehlen (Bild 2, 9, 10), tiefe Rinnen (Bild 5, 6), Kolke mit Wasserstandsmarken in unterschiedlicher Höhe (Bild 7) sowie Rippelmarken auf den Brandungsplattformen (Bild 4) sprechen eine deutliche Sprache. Die räumliche Anordnung der Hohlformen, insbesondere der Kolke, ermöglicht die Rekonstruktion der Hauptwellenrichtung. Auf der glattgeschliffenen Gesteinsoberfläche des Kliffs waren zahlreiche, in unterschiedlichen Richtungen verlaufende Störungen ausgebildet. Besonders auffallend war, dass die tiefen, gulli-artigen Kolke (Bild 3, 7) bis auf wenige Ausnahmen in Nordwest-Südost-Richtung angelegt waren. Sie entstanden entlang von Störungen, die im Brandungsbereich Schwächezonen im Gestein darstellten (Bild 7). Hier konnte die Brandung aus Nordwesten ansetzen und die Felsen verstärkt ausfräsen. Ohne viel Fantasie konnte man sich vorstellen, wie die gegen das Kliff anlaufenden Wellen am flacher werdenden Strandabhang brachen, über die Plattform an den Hohlkehlen anbrandeten, um schließlich in den tief ausgefrästen Kolken (Bild 7) fontänenartig nach oben zu schießen. Die asymmetrische Anlage einiger Strudellöcher ist ebenfalls ein Hinweis auf den Verlauf der Wellen aus Nordwesten gegen die Küste. Auf der unteren Brandungsplattform war eine nahezu ideale kreisförmige Struktur mit etwa 10 m Durchmesser angelegt (Bild 3), an der die anbrandenden Wellen abgelenkt und durch tiefe Rinnen abgeleitet wurden (Bild 5 und Bild 6).

Es drängt sich die Frage auf, wie sich in einem kleinen Nebenmeer wie dem Mainzer Becken eine derartige Hochenergieküste ausbilden konnte. Wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, dass im Süden des Oberrheingrabens zumindest zeitweise eine Verbindung zum Molassemeer des Alpenvorlandes (Paratethys) bestand, was von einigen Geologen angezweifelt wird, müssen wir mit Ausgleichsströmungen rechnen. Zwar herrschte in Mitteleuropa zur Zeit des Oligozän ein subtropisch-feuchtes Klima, dennoch war das damalige Nordmeer (Boreal-Meer) kühler als die Paratethys im Süden. Vermutlich bildeten sich in der sich diagonal durch Mitteleuropa erstreckenden Meeresstraße Temperaturschichtungen im Meerwasser, in dem die kühleren Wassermassen aus Norden nahe am Meeresboden in Richtung Süden strömten, während warmes Paratethys-Wasser oberflächennah nach Norden floss. Ohne eine durchgehende Verbindung hätten sich wohl kaum stärkere Strömungen entwickelt. In der im Schnitt etwa 30 km breiten Meeresverbindung könnten sich zwischen dem Borealmeer und der Paratethys sicherlich auch Gezeiten analog zum heutigen Ärmelkanal aufgebaut haben, welche die Strömungen vermutlich verstärkt hätten. Ohne eine Verbindung nach Süden wäre ein Gezeiteneinfluss vermutlich noch geringer ausgefallen als in der heutigen Ostsee. Setzen wir also voraus, die Verbindung zwischen dem Borealmeer im Norden und der Paratethys im Süden hätte zumindest zeitweise bestanden. Dann kann man sich vorstellen, dass in der trichterförmigen Ausweitung des Mainzer Beckens ein Teil der warmen, gezeitengestützten Strömung aus Süden nun entlang dem Taunus-Südrand nach Westen abgelenkt wurde und einen dem Uhrzeigersinn gegenläufig gerichteten Verlauf nahm. Über das heutige Bad Kreuznach wurde die Strömung auf eine Kreisbahn mit Kurs auf die Inseln geleitet. Durch die Meerengen zwischen Hornberg-Insel, der Martinsberg-Untiefe und der Steigerberg-Insel erfuhr die Strömung zusätzlich einen Düseneffekt, wobei die Wassermassen ungebremst auf die Westflanke der Steigerberg-Insel trafen. Wenn nun Stürme oder Orkane aus Westen die Strömung überlagerten, konnte es ohne weiteres zu der enormen Brandung kommen, deren Spuren wir am Steigerberg-Kliff vorfinden. Bezieht man außerdem die Auswirkungen von Springtiden mit in die Überlegung ein, bereitet die Vorstellung von zeitweise schwerer Brandung im Westen des Mainzer Beckens keine Probleme mehr.

Zahlreiche stufenartig übereinander angeordnete Brandungshohlkehlen (Wasserstandsmarken) auf verschiedenen Felsen des Brandungskliffs sind ein Nachweis für den raschen Meeresspiegelanstieg sowie die Absenkung des Landes (Bild 7, Bild 9 und Bild 10).

Bild 2 Bild 2: Etwas links der Bildmitte erkennt man die von oben nach unten verlaufende Störung, welche das Kliff nach Norden hin begrenzt. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 3 Bild 3: Im Vordergrund ist eine Brandungshohlkehle ausgebildet, in Bildmitte eine flache Brandungsplattform; im Hintergrund erneut eine Hohlkehle und ein Kolk. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 4 Bild 4: Detailaufnahmen der Brandungsplattform. Im Vordergrund sind in den Fels eingeschliffenen Rippelmarken erkennbar und an der Basis der aufsteigenden Felsen eine Brandungshohlkehle. Der Hammer auf den Felsen links hinten dient, wie auch auf den folgenden Bildern zu sehen ist, als Maßstab. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 5: In der Bildmitte ist eine tiefe Rinne zu sehen, welche durch abfließenden Rückstrom ausgefräst wurde. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 6: Die selbe Rinne wie in Bild 5 in Schrägansicht. Eine weitere Rinne wurde in der dahinter aufsteigenden Felswand gebildet. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 7: Ein entlang einer Kluft angelegter Kolk mit „Wasserstandmarken“, der in Bild 3 und 4 aus anderer Perspektive zu sehen ist. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 8 Bild 8: Detailansicht einer Brandungshohlkehle. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 9: Stufenartig angeordnete kleinere Brandungshohlkehlen, welche den Meeresspiegelanstieg verdeutlichen. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 10: Im Vordergrund die selben Hohlkehlen wie in Bild 9, welche jedoch aus einer veränderten Perspektive einen anderen Eindruck vermitteln. ~~CLEARFLOAT~~

Fußnote

Eindrucksvolle Bilder für die Überlagerung von Springtiden durch Sturm im Jahr 2004 sind auf der Website von BBC Cornwall eingestellt (http://www.bbc.co.uk/cornwall/content/image_galleries/storms_oct2004_gallery.shtml). Insbesondere die in der Mount's Bay unweit von Land's End gelegene Stadt Penzance war von dem Ereignis betroffen. In der flacher werdenden Bucht brachen sich an der mehrere Meter hohen Promenade wie auch an den Schutzmauern der Häfen die Wellen, deren Gischt über die fünf Stockwerke hohen Hotelgebäude hinwegschoss. Teilweise wurden verfugte Granitplatten der Promenade herausgerissen und übereinander gestapelt.

Das Grundgebirge des Steigerbergs unter den tertiären Küstensedimenten

Vor der Anlage von Kies- und Sandgruben am Steigerberg war der tiefere Untergrund aus den Gesteinen der Rotliegendzeit durch die tertiären Küstensedimente verhüllt. Erst durch die Gewinnung von Sand und Kies wurde der aus Rotliegend-Gesteinen bestehende Kern des Berges angeschnitten. Unter dem von der Brandung geformten Rhyolith liegt die sogenannten Basisbreccie, die mit dem Rhyolith allmählich zum Berg hin ansteigt. Sie besteht aus rotvioletten Ton- und Schluffsteinen, in die meist eckige Rhyolithkomponenten eingearbeitet sind. Vermutlich handelt es sich um verwitterte Sedimente der damaligen Landoberfläche, die der glühende Lavastrom wie eine Moräne in Richtung Osten vor sich herschob und sich letztendlich darüberwälzte, bevor er erstarrte.

Im Jahr 1999 war der Sand- und Kiesabbau sehr nahe an die zur Tiefe hin folgende Fortsetzung des Grundgebirges vorgedrungen. Im tieferen Untergrund des Kliffs kamen an mehreren Stellen geschichtete Tonsteine zu Tage. Wasseraustritte im Kies kennzeichneten die Stellen, an denen die wasserstauende Sedimente die weitere Versickerung von Grundwasser verhinderten. An der tiefsten Stelle der Kiesgrube hatte sich über mehrere Monate hinweg ein kleiner See gebildet, bevor er durch Auffüllmassen zugeschüttet wurde. Daraus ist zu schließen, dass hier unterhalb der Restkiesauflage in geringer Tiefe ebenfalls wasserstauende Sedimente vorhanden waren. Die Anordnung der Wasseraustritte im Restkies ließ stufenartige Absenkungen der Rotliegend-Sedimente vom Berg aus nach Westen vermuten.

Die generelle Gesteinszusammensetzung und Genese des Rhyoliths wurde bereits oben beschrieben. Der Steigerberg-Rhyolith unterscheidet sich allerdings in seiner Struktur wesentlich von den übrigen Rhyolithvorkommen der ehemaligen Inseln: Am Steigerberg liegt ein autoklastischer Rhyolith (Bild 13) mit sporadischen Xenolithen („Fremdgesteine“) vor. Autoklastisch bedeutet soviel wie „selbstzerbrochen“. Denn kantige Rhyolithkomponenten liegen eingestreut in einer Rhyolithgrundmasse. Wie kann eine solche Struktur entstehen? Dieses Phänomen wird verständlich, wenn man weiß, dass Rhyolith als glutflüssige Schmelze durch seinen hohen SiO2-Anteil hochviskos (zähflüssig) ist. Man kann sich deshalb vorstellen, dass sich der ehemalige Lavastrom nur langsam in Richtung des heutigen Steigerbergs voranwälzte. Dabei erkaltete die Schmelze im Oberflächenbereich zu einer Kruste, die immer wieder aufriss, und dadruch wurden abgekühlte Rhyolithfragmente in die noch glühende Grundmasse der Lavawalzen zurückgeführt. Bei den Xenolithen handelt es sich um Bröckchen von Ton- und Sandsteinen, die der Lavastrom während der Fortbewegung an seiner Unterseite von der damaligen Landoberfläche aufnahm und der glühenden Schmelze einverleibte. Die unterschiedliche Zusammensetzung des Steigerberg-Rhyoliths im Vergleich zu den Vorkommen des Martinsbergs, des Hornbergs und des Scharenbergs lässt sich damit erklären, dass der Steigerberg-Rhyolith die Zunge des ehemaligen Lavastroms darstellt. Vermutlich war autoklastischer Rhyolith in den oberflächennahen Zonen des gesamten Lavastroms ausgebildet. Diese Bereiche könnten am Hornberg, am Scharenberg und am Eichelberg längst der Verwitterung und der Erosion zum Opfer gefallen sein. Aber möglicherweise war die Schmelze im Bereich des Haupt-Lavastroms auch noch so heiß, dass Krustenfragmente wieder aufgeschmolzen wurden.

Tektonik

Im Jahr 1997 waren an der Südbegrenzung des Kliffs im gleichen Höhenniveau rotbraun-violettfarbene Ton- und Schluffsteine aus der Zeit des Rotliegend aufgeschlossen. In den folgenden Monaten wurden sie durch Auffüllmaterial überdeckt. Wie bereits erwähnt, stellen die Rotliegend-Sedimente die tiefere Unterlage des Kliff-Rhyoliths dar. Wird ein ursprünglich tiefer liegendes Gesteinspaket in das gleiche Niveau wie ein darüber liegendes Gestein angehoben, muss zwischen beiden eine Störung, bzw. ein Bruch vorhanden sein, an dem ein Versatz stattgefunden hat. Ein solcher Vorgang hat sich am Südende des Kliffs abgespielt. Am Nordende des Kliffs war der Rhyolith durch eine Störung, wie mit einem Messer gezogen, geradlinig abgeschnitten (Bild 2). Nördlich der Störung war kein anstehender Rhyolith mehr vorhanden. Vermutlich hätte man ihn anhand einer Bohrung in einigen Metern Tiefe antreffen können. Stattdessen lag im Niveau der unteren Brandungsplattform eine Schutt-Schlamm-Ablagerung (Olistostrom), die man im Gebirge auch als Mure bezeichnet. Völlig unsortierter kantiger Rhyolithschutt lag eingebettet in einer tonigen, wasserstauenden Grundmasse. Diese Zusammensetzung deutet auf eine rasche Schüttung und Ablagerung des Materials hin. Wie es an unseren heutigen Küsten gelegentlich vorkommt, kann während einer Sturm- und Unwetterphase ein Küstenabschnitt instabil werden und abrutschen. Der Olistostrom war vermutlich in eine Senkungszone gerutscht, die bereits vor 30 Mio. Jahren im Norden des Kliffs ausgebildet war und füllte diese auf. In der Gesamtsituation gesehen stellt die südliche Fortsetzung des Kliffs eine herausgehobene Scholle dar, während die nördliche Fortsetzung als abgesunkene Scholle ausgebildet ist. Das heißt, das Grundgebirge des Steigerbergs ist nach Norden (in Richtung Eckelsheim) treppenartig abgesenkt. Wir haben es hier mit Staffelbrüchen (tektonisch: Abschiebungen) zu tun. Auch die Positionen der Grundwasseraustritte waren stufenartig vom Berg in Richtung Straße absteigend angelegt. Vermutlich sind die in verschiedenen Höhen positionierten Brandungsplattformen ebenfalls Hinweise für nach Westen hin abgesenkte Staffelbrüche, die von der Brandung überprägt wurden. Viele Belege sprechen dafür, dass die tektonischen Elemente prä-oligozän angelegt wurden, d.h. die Versätze vor mehr als 30 Millionen Jahre stattfanden. Beispielsweise ist die Fläche der Hauptstörung am Nordende des Kliffs ebenso glattgeschliffen wie die übrige Kliffoberfläche und somit bereits vor der Überflutungsphase entstanden. Vermutlich gingen die tektonischen Ereignisse im westlichen Mainzer Becken mit dem beginnenden Einbruch des Oberrheingrabens im Zeitalter des Eozän vor ca. 50 Mio. Jahren einher.

Fossilien

Mit dem Meer kam auch seine Gefolgschaft. Die größten Meeresbewohner im Mainzer Becken dürften Haie gewesen sein. Ein in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts von Herrn Adam aus Eckelsheim, dem damaligen Besitzer der Kiesgrube, gefundener Haizahn weist eine Kantenlänge von 10 cm auf. Es handelt sich um einen Frontzahn aus dem Gebiss der fossilen Haiart Carcharocles angustidens (lat. angustus = schmal, eng, dens = Zahn, was soviel bedeutet wie „Schmalzahn“). Stellt man die Zahngröße heutiger Haie in Relation zu ihrer Körperlänge, so kann man im Vergleich bei dem fossilen Zahn auf eine Körperlänge des Haies von etwa 8 bis 9 Metern schließen. Neben C. angustidens sind weitere 27 Arten von Haien, beispielsweise Galeocerdo medius (Tigerhai), Odontaspis acutissima und O. denticulata (Sandtigerhai), Nothorhynchus primigenius (Grauhai), Praecetorhinus parvus (Riesenhai), und Rochen, wie Dasyatis sp. (Stechrochen), Myliobatis sp. (Adlerrochen) und Squatina angeloides (Meerengel), nachgewiesen. Zahlreiche Arten von Knochenfischen, wie Meerbrassen, Zackenbarsche, aber auch Heringsartige sind vertreten. Eine Besonderheit stellt auch ein nahezu vollständiges Skelett der fossilen Seekuhart Halitherium schinzii dar. Die Knochen wurden ebenfalls von Herrn Adam in der Kiesgrube gefunden und geborgen. Das montierte Skelett ist im Paläontologischen Museum in München ausgestellt. Seekuhreste wurden immer wieder in den Küstensedimenten gefunden. Vollständige Skelette sind dagegen sehr selten.

In den Küstensedimenten des Steigerbergs wurden Reste von Balaniden (Seepocken), von Stachelhäutern, wie Seeigel und Seesternen ebenso wie vielfältige Arten von Muscheln und Schnecken gefunden. Sie alle aufzuführen würde den Rahmen dieser Publikation sprengen. Als Beispiele sollen nur einige charakteristische Formen genannt werden, deren Schalen teilweise zu Schillen zusammengespült wurden: Pycnodonte callifera (Austern), Glycymeris spp. (Samtmuscheln), Chlamys spp (Jakobs-, Kamm- oder Pilgermuscheln) sowie Schalen der austernähnlichen Muschel-Gattung Crassostrea sp. Als Besonderheit weist eine der beiden Klappen eine rinnenförmige Vertiefung auf, mit der die Muschel mit großer Wahrscheinlichkeit an Wurzeln festgewachsen war. Zwar sind Mangroven als im flachen Meerwasser wachsende Bäume aus dem Oligozän des Mainzer Beckens nicht nachgewiesen, jedoch könnten die Schalen von Crassostrea sp. ein indirekter Nachweis auf das Vorkommen dieser Bäume sein. In einigen Bereichen der Kiesgrube kamen Einzelkorallen der Art Balanophyllia inaequidens und Bryozoen (Moostierchen) relativ häufig vor. Vereinzelt konnten auch Reste von sogenannten Seefedern nachgewiesen werden. Sie gehören zur Unter-Klasse der Achtstrahligen Blumentiere (Octocorallia).

Eine wesentliche Fossilgruppe, die mit bloßem Auge fast nicht zu erkennen ist, sind die Mikrofossilien. Es handelt sich im hauptsächlich um Foraminiferen (Lochkammertierchen) und um Ostracoden (Muschelkrebschen), die eine durchschnittliche Größe von 0,2 bis 0,5 mm haben. Sie eignen sich als Öko-Indikatoren für die Rekonstruktion der damaligen Umweltverhältnisse und vielfach auch zur Datierung der sie umgebenden Sedimente.

Erstaunlicherweise wurden auf der Kliffoberfläche selbst keine festgewachsenen Fossilien wie Seepocken oder Austern gefunden. Eine Erklärung dafür könnten lang-andauernde Brandungsphasen sein oder sogar eine permanente stärkere Brandung, die eine Ansiedlung von sessilen Formen verhinderte.

In der vorspringenden Kiesgrubenwand nördlich des Brandungkliffs fallen zahlreiche röhrenförmige Hohlräume auf. Häufig werden sie von Dohlen und anderen Vögeln zu Bruthöhlen ausgeweitet. Ursprünglich entstanden die Hohlräume durch gestrandete Treibhölzer, die rasch von Strandsanden der Steigerbergküste überdeckt wurden. Im Laufe der Zeit fand eine schwache Verfestigung der Sedimente statt, während sich die Holzstruktur zersetzte und in den meisten Fällen nur noch die Hohlräume zurückblieben. Vereinzelt sind Ausfüllungen von Bohrgängen im ehemaligen Holz erhalten, die von Bohrmuscheln („Schiffsbohrwurm“) erzeugt wurden. Durch den Abbruch einer Sedimentscholle von der Steilwand wurde der Abdruck eines Palmstammes freigelegt. Nach der Präparation durch Mitarbeiter der erdgeschichtlichen Denkmalpflege kann dieser Abdruck inzwischen im Museum der Stadt Alzey besichtigt werden. Im Südwestbereich des Kliffs war der obere Teil der Felsen unregelmäßig-löchrig ausgebildet (Bild 12). Möglicherweise ist diese Struktur auf herausgewitterte Feldspäte zurückzuführen oder auf Algenbewuchs, der das Gestein sozusagen angeätzt hat. Vorkommen von Seegras und Tang konnten bisher auf direktem Weg als Pflanzenfossilien nicht nachgewiesen werden. Dennoch kann man indirekt auf flächenhaften Bewuchs dieser Wasserpflanzen in Flachwasserzonen der Küstenstreifen schließen, da sie die Hauptnahrung der heutigen Seekühe bilden. Aufgrund der zahlreichen Fossilfunde von Halitherium schinzi muss dementsprechend mit großflächigen Seegraswiesen gerechnet werden, ohne die sich Seekühe sicherlich nicht so zahlreich in diesen Küstenzonen aufgehalten hätten.

Bild 11: Kleinere Abflussrinnen und Strudellöcher in der glattgeschliffenen Kliffoberfläche. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 12: Blick auf die Südwestecke des Kliffs mit ausgeprägten Hohlkehlen. Darüber ist eine löchrige Felsoberfläche zu sehen, die möglicherweise von Algenbewuchs verursacht wurde. ~~CLEARFLOAT~~

Bild 13 Bild 13: Detailansicht der Felsoberfläche mit autoklastischem Rhyolith (s. Kapitel Grundgebirge des Steigerbergs). ~~CLEARFLOAT~~

Das Sediment

Im Kapitel „Meer“ wurde bereits der die Rhyolith-Areale überdeckende Verwitterungsschutt angesprochen, der in großem Stil als Schleifmittel in Verbindung mit der Dynamik der Wellen diente. Während dem permanenten Anlaufen und dem jeweils folgenden Rückstrom der Wellen entstand nicht nur auf der Festgesteinsoberfläche der Küste Abrieb und Glättung der ursprünglich rauen Oberfläche, sondern auch der Rhyolithschutt selbst wurde abgerollt und aufgerieben. In den Wänden der Kiesgrube fällt der Wechsel zwischen Sand- und Geröll-Lagen besonders stark ins Auge (Bild 1, Bild 5 und Bild 13). Es ist offensichtlich, dass die Strandsedimente durch die Dynamik der Wellen je nach ihrer Korngröße sortiert wurden. Im Allgemeinen liegt Verwitterungsschutt wirr durcheinander. Nur leicht an den Strand anlaufende Wellen bewegen höchstenfalls Sand, Schluff und Ton. Dagegen entstanden Block- und Geröllhorizonte während Sturm- und Orkanphasen. Man nennt sie auch Tempestite. Grobe Gerölle und Blöcke wurden zwar an der Küste bewegt, verblieben aber meist in der Brandungszone des Strandes. Je nach Intensität des Sturmes wurden feinkörnigere Sedimente im Rückstrom der Wellen mitgerissen und entsprechend ihrer Korngröße unterhalb der Wellenbasis an den Strandabhang angelagert. Nahe der Küste setzten sich Kiese ab, etwas weiter entfernt Sande und weit draußen im tieferen Wasser letztendlich die Tontrübe. Die Korngröße der unterschiedlichen Lagen ist deshalb ein Hinweis auf die jeweilige Wellenenergie während der Ablagerung. Am Rundungsgrad der Sedimente lassen sich die Verweildauer des Sediments in der Brandungszone, aber auch die vorherrschende Küstendynamik ableiten. Vereinzelt war die Brandungsintensität so hoch, dass selbst kubikmeter-große Blöcke bewegt und gerundet wurden. Teilweise stürzten sie sogar den Strandabhang hinunter. Nachdem das Sediment des Schuttstromes im Nordteil des Kliffs kantig und unsortiert ist, kann auf eine rasche Schüttung aus dem Festlandsbereich der Steigerberg-Insel in eine Zone unterhalb der Wellenbasis geschlossen werden.

In der Zeit, in der das Kliff noch freilag, konnte man erkennen, dass in Verlängerung der großen Brandungsplattform die Sand-Geröll-Wechsellagen in den Kiesgrubenwänden zunächst nur leicht zum Meer hin geneigt waren. Man kann somit von einem flachen Strand ausgehen, der erst in einer Entfernung von etwa 50 Metern zum Meer hin steiler abfiel. In mehreren Kies- und Sandhorizonten waren flache, teilweise mehrere Meter breite Rinnen ausgebildet, die teilweise küstenparallel angelegt waren. Sie deuten auf Strömungen hin, die möglicherweise durch Gezeiten erzeugt wurden.

Mit dem Anstieg des Meeresspiegels bzw. der Absenkung des Landes wurden immer höhere Bereiche der Inseln und des Festlandes in das Malwerk der Brandung einbezogen. Ab einem gewissen Zeitpunkt waren die Felsen des Kliff soweit unterhalb der Brandung abgesunken, dass sie nun von Sedimenten aus höheren Strandniveaus das Kliff überschüttet wurden. Mit dem weiteren Voranschreiten des Meeresspiegelanstiegs war letztendlich der gesamte Steigerberg überflutet. Gut gerundete Gerölle auf höchster Ebene des Steigerbergs belegen diesen Vorgang.

Klima

Wir können davon ausgehen, dass während der Zeit des Oligozän in Mitteleuropa ein subtropisches, feucht-warmes Klima herrschte. Belege dafür sind Fossilien wie Samtmuscheln, Solitärkorallen, Haizähne, Seekuhknochen und Pflanzenreste. Samtmuscheln finden wir in der heutigen Zeit beispielsweise an den Küsten von Spanien und Portugal. Bodenkundliche Untersuchungen von Paläoböden, die man dem Oligozän zuordnet, sprechen sogar von tropischen Verwitterungseinflüssen. Dieser Vorstellung kann aus Sicht der Paläontologie nicht gefolgt werden. Zumindest nicht, was die marinen Bereiche anbelangt. Das gesamte Spektrum der Fossilien belegt subtropische Verhältnisse. Es gibt keinen Nachweis von Riffkorallen, die nur in klaren tropischen Gewässern vorkommen. An einer verminderten Wasserqualität konnte es nicht gelegen haben, denn dafür war die Artenvielfalt im westlichen Mainzer Becken zu hoch. Auch die Nahrungsbedingungen müssen optimal gewesen sein. Als Ausschlusskriterium für das Wachstum von Riffkorallen kann demnach nur die etwas niedrigere Wassertemperatur angesehen werden. Stattdessen treten in den Sedimenten des Steigerbergs häufig Solitärkorallen auf, die subtropische Bedingungen belegen.

Die Folgezeit

Mit dem Anstieg des Meeresspiegels griff das Meer immer weiter auf das Festland über. So kam auch ein verstärkter Sedimenteintrag durch Flüsse ins Meer. Höhere Niederschläge verstärkten möglicherweise auch die Erosion auf dem Festland. Sedimente wie die Tonmergel, welche in Wöllstein von der Fa. JUWÖ für die Herstellung von Ziegel gewonnen werden, belegen, dass im Zeitalter des sogenannten Schleichsandes Feinsande und Silt mitsamt der Tontrübe aus dem damaligen Schweizer Alpengebiet weit ins offene, durch Süßwassereinfluss inzwischen brackische Meer transportiert wurden. Nach und nach wurden die Meeresbecken mit Sedimenten aufgefüllt. Über den Schleichsand-Sedimenten folgte der Cyrenenmergel, der auf Grund seiner geringen Artenzahl an Fossilien ein Hinweis auf das Fortschreiten der Verbrackung in Richtung Süßwasserverhältnisse andeutet. Als sich das Meer nach etwa 3 Millionen Jahren ein erstes Mal aus dem Mainzer Becken zurückgezogen hatte, war die ehemalige Küstenlandschaft vermutlich vollständig von Sedimenten überdeckt. Nicht auszuschließen ist die Vorstellung, dass sogar noch Kalksteine, die im zweiten Meereszyklus in einem Zeitraum von etwa 23 bis 20 Mio. Jahren in einem Flachmeer abgelagert wurden, den Westen des Mainzer Beckens überlagerten. Zum Ende des Tertiärs verschlechterte sich das Klima zusehends. Im Pleistozän, dem sogenannten Eiszeitalter, fanden im Zeitraum zwischen 2,6 Mio. Jahren und etwa 10 Tausend Jahren mehrere große Klimaschwankungen statt. Im Wechsel von Kalt- und Warmzeiten schnitten sich Bäche und Flüsse in den Untergrund ein und führten große Mengen an Sediment mit sich fort. Im Verlauf des Pleistozän bis in unsere heutige Zeit wurde allmählich die Landschaft so herausmodelliert, wie wir sie kennen. Im westlichen Mainzer Becken kam auf diese Weise die alte Küstenlandschaft aus dem Oligozän mit all ihrer Vielfalt wieder zum Vorschein.

Entdeckung

Eine der Hauptaufgaben des Landesamtes für Geologie und Bergbau ist die Erstellung von geologischen Karten. Die Kartierung von Blatt Kriegsfeld im Maßstab 1:25.000 als Anschluss an das bereits publizierte Blatt Alzey war eines der Projekte. Das Blatt Kriegsfeld hat in etwa die Eckpunkte Eckelsheim - Ebernburg - Gaugrehweiler – Oberwiesen. Im Rahmen der Geländearbeiten stellte die auf Blatt Kriegsfeld liegende Kiesgrube am Steigerberg ein wissenschaftlich wertvolles Fenster in die Erdgeschichte dar, in dem die Küstensedimente in besonderer Weise aufgeschlossen waren. Im Sommer 1997 konnte man infolge des fortgeschrittenen Kiesabbaus an wenigen Stellen einzelne glattgeschliffene Rhyolithfelsen erkennen, die unter Kiesresten zum Vorschein gekommen waren. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob es sich dabei um einzelne isolierte Gesteinsblöcke handelte, oder ob die Felsen unter dem Kies in Verbindung standen. Erste Freilegungsarbeiten von Hand ergaben, dass es sich wohl um größere Rhyolithpartien handeln müsste. Nach und nach wurde offensichtlich, dass wohl großräumige Zusammenhänge bestehen, die neben den eigentlichen Kartierarbeiten freizulegen waren. Als durch den weiteren Kiesabbau 1998 immer neue Felsen des offensichtlichen Kliffs sichtbar wurden, entschied man sich von Seiten des damaligen Geologischen Landesamtes in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Alzey und dem CJD Deutschland, ein Grabungsteam zusammenzustellen, das möglichst große Teile des Kliffs freilegen sollte. Wissenschaftliche Recherchen ergaben, dass es sich aufgrund der Ausmaße des Kliffs um ein Objekt von europaweiter, wenn nicht gar von weltweiter Bedeutung handelte. Bereits damals wurden seitens des damaligen Geologischen Landesamtes Kontakte zur Landesvertretung des Landes Rheinland-Pfalz in Brüssel geknüpft, um Fördermöglichkeiten zu Erhaltungs- und Präsentationszwecken zu eruieren. Die Betreiberfirma RKS stand den Freilegungs- und Präsentationsaktivitäten grundsätzlich offen gegenüber und unterstützte auf Anfrage, wann immer es der Betrieb der Kiesgrube zuließ, die Durchführungen mit Geräten und Mitarbeitern.

Großflächige Freilegung

Im Frühjahr 1999 begann eine Gruppe aus etwa 5-10 Personen, die Felsen von Kies-, Sand- und tonigen Sediment-Resten in Handarbeit freizulegen, um die glattgeschliffene Rhyolithoberfläche nicht zu beschädigen. Unter teilweise extremen Wetterbedingungen - im Frühjahr Schneeschauer, im Sommer enorme Hitze mit Unwettern - gelang es der Gruppe bis September 1999, einen Großteil des Kliffs über eine Fläche von 2000 m2 in einer eindrucksvollen Leistung freizulegen. Dabei erschlossen sich teilweise völlig ungeahnte und überraschende Verläufe der Felsformation. Presse und Fernsehen berichteten im Jahr der Freilegung und in den folgenden Jahren über die neue Attraktion aus der Erdgeschichte des Alzeyer Umlandes. Politiker der Region, des Landes und auch des Bundes informierten sich vor Ort. Öffentliche Führungen zum Thema Kliff erfreuten sich großer Resonanz. Der Winter 1999/2000 zeigte indes die Grenzen einer dauerhaften Präsentation des Kliff unter freiem Himmel auf. Im relativ milden Winter ohne extreme Frostperioden ereignete sich vielfach im Tag-Nacht-Wechsel auch ein regelmäßiger Frost-Tau-Wechsel. Wie sich später durch Gesteinsuntersuchungen herausstellen sollte, enthält der Rhyolith quellfähige Tonminerale, die bei Nässe Feuchtigkeit aufnehmen und sich ausdehnen, bei Trockenheit Feuchtigkeit abgeben und dadurch schrumpfen können. Dadurch „arbeitet“ das Gestein und es können sich Kapillarrisse (Haarrisse) bilden. In einigen Bereichen des Kliffs konnte Wasser eindringen, das in Winternächten gefror und die Risse allmählich weitete. Nach und nach wurde an diesen Stellen das Gefüge gelockert. Der Gesteinsverband verwitterte und randlich lösten sich Partien des ursprünglich glatten Oberfläche ab (Bild 14). Schnell wurde offensichtlich, dass durch diese Verwitterungserscheinungen von dem ursprünglich glattgeschliffenen Brandungskliff nach wenigen Jahren nur noch ein Schutthaufen übrig bleiben würde. Nach mehreren intensiven Diskussionen in einem seit dem Jahr 1999 bestehenden Arbeitskreis über eine dauerhafte Erhaltung und Präsentation kam man zu dem Ergebnis, bis zum Zeitpunkt einer Finanzierungsmöglichkeit den Kliffkomplex mit einer 1-1,5 m dicken Frostschutzschicht aus Sand zu überdecken (Bild 15). Im Rahmen einer Sitzung im Frühjahr 2001 erklärte sich nach langen Verhandlungen die Kreisverwaltung Alzey-Worms bereit, das Projektmanagement zu übernehmen, während der Naturschutzverein Pollichia die Trägerschaft des Projektes „Brandungskliff“ übernahm. Seit der letzten Sitzung des Arbeitskreises im Jahr 2003 liegt offensichtlich die alleinige Verantwortung des Projektes Brandungskliff in Händen der Kreisverwaltung Alzey-Worms. In den Räumen der Kreisverwaltung wurden im Jahr 2003 eine Auswahl von architektonischen Modellen präsentiert, die Studenten der TU Darmstadt im Rahmen von Seminararbeiten zu einem möglichen Kliffmuseum ausarbeiteten.

Bild 14 Bild 14: Oberflächennahe Verwitterungserscheinungen durch Frosteinwirkung. ~~CLEARFLOAT~~

 Bild 15 Bild 15: Im November 2002 wurde das Kliff mit einer Sandschicht zum Schutz gegen Frostverwitterung überdeckt. ~~CLEARFLOAT~~

Die Zukunft

Wer das Brandungskliff in der Zeit von der Freilegung bis zur Überdeckung erlebt hat, wurde von der Außergewöhnlichkeit und der Besonderheit dieser einmaligen erdgeschichtlichen Stätte erfasst und fasziniert. Wie von den zuständigen Stellen in der Kreisverwaltung bis zuletzt zu erfahren war, scheint derzeit eine Finanzierung zur dauerhaften Präsentation und zum Bau eines Kliffmuseums mit Landes- Bundes- und EU-Mitteln nicht realisierbar. Andererseits ist bis zum heutigen Tag in der Öffentlichkeit eine abwartende Haltung in Bezug auf die Zukunft des Kliffs zu verzeichnen. Zu den unterschiedlichsten Projekten und Interessensgebieten wurden und werden spontan Fördervereine gegründet. Mir ist nicht bekannt, dass bis heute irgend jemand aus der Region auch nur einen Gedanken an die Gründung eines Fördervereins „Brandungskliff“ verschwendet hat. Die Zeit scheint noch nicht reif, das Projekt „Brandungskliff“ umzusetzen. Warten wir im erdgeschichtlichen Sinne noch ein wenig, möglicherweise wird sich das Meer in nicht allzu langer Zeit der Aufgabe widmen, das Kliff erneut in das Interesse der Öffentlichkeit zu bringen. Dann werden eventuell nach etwa 30 Mio. Jahren die Haie erneut im Mainzer Becken zu erleben sein. Nicht etwa wie in einem Sea Life Centre, sondern ganz ohne störende Glasscheiben zwischen Hai und Mensch.

Bild 16: In einem kreisrunden Strudelloch spiegelt sich ein kleiner Hoffnungsschimmer auf eine neue Präsentation des Brandungskliffs. ~~CLEARFLOAT~~

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kliff/kliff.txt · Zuletzt geändert: 18.03.2012 23:15 von arno